Um die Besorgnis und Empörung über die Verhältnisse der Flüchtlinge an der südlichen Grenze in den USA auszudrücken, fanden am Freitagabend, dem 12. Juli 2019, über 800 #Lightsforliberty Mahnwachen auf 5 Kontinenten statt. Mehrere Städte in Deutschland, Hamburg und München inbegriffen, nahmen auch daran teil. Dieses Problem liegt mir seit den ersten Gräueltaten, die Familien mit deren Trennung an der Grenze im vorgängigen Jahr angetan wurden, sehr am Herzen.
Über das letzte Jahr hinweg verfolgte ich die Nachrichten über die Verhältnisse in den Auffanglagern und meine Empörung und Abscheu dagegen wuchs stetig. Am ersten Tag der Schule für Sozialarbeit wurde uns als Erstes gesagt, dass wir jetzt offiziell „beauftragte Reporter“ seien. In der alltäglichen Sprache bedeutet dies, dass wir nun gesetzlich dazu verpflichtet sind jegliche verdächtige Zeichen auf Kindesmisshandlung, Vernachlässigung, und Aussetzung zu melden haben. Wenn man dem nicht gerecht wird, bedeutet dies nun, dass man von der Schule verwiesen werden könnte, ein Bussgeld bezahlen muss, die Lizenz verlieren könnte, und möglicherweise sogar eine Anklage vor sich haben könnte. Als ich mir diese Horrorgeschichten ansah und Kinder hören konnte, welche zwangsweise über Wochen die Erlaubnis sich zu waschen oder ihre Zähne zu putzen, nicht erhielten, ass mich mein Eid als Sozialarbeiterin innerlich auf. Ich fühlte mich so hilflos. Von mir wurde erwartet, solches Verhalten den Behörden zu melden, jedoch was kann ich tun, wenn diese Verbrechen von den Behörden begangen werden?
Mit jedem weiteren Nachrichtenbericht wurde ich immer wie entäuschter. Ich wollte die Nachrichten ausschalten, jedoch zwang ich mich hinzuhören, da ich mir dachte, wenn die Menschen diese Verhältnisse für Monate aushalten mussten, dann kann ich mir diese Nachrichten für 2 Minuten anhören. Meine körperliche Belastungsgrenze erreichte ich am Donnerstagnachmittag. Während ich darauf wartete, dass mein Deutschkurs beginnt, schaute ich mich in den sozialen Medien um, damit ich die Zeit totschlagen konnte. Ich sah die Schlagzeile, dass die Regierung Immigranten in 10 ausgewählten Städten bereits diesen kommenden Sonntag zusammenbringen wird. Nachdem ich diese Schlagzeile sah, wurde ich körperlich krank. Ich war erleichtert, dass meine Deutschlehrerin unsere Klasse aus privaten Gründen absagen musste, denn kurz nachdem ich diesen Artikel gelesen hatte, rannte ich ins Badezimmer und übergab mich und weinte für etwa 20 Minuten. Noch nie in meinem Leben war ich so angewidert Amerikanerin zu sein.
Ich habe Pläne mit meiner Freundin gemacht, dass wir uns am Münchner Bahnhof treffen würden, damit wir gemeinsam zur Mahnwache gehen können. Ich sah sie vor dem Starbucks stehend (unser normaler Treffpunkt) und sah, dass sie diverse Dinge mit sich hatte. Mein Magen verzog sich, als ich sah, dass eine amerikanische Flagge unter diesen Dingen war. Ich wollte nicht, dass man mich eine Flagge tragend sieht, mehrheitlich wollte ich nicht direkt als Amerikanerin identifiziert werden.
Die Mahnwache fand vor dem historischen Münchner Friedensengel Landmark statt. Es war ein schöner Freitagabend – vor einem öffentlichen Monument, einem wunderschönen Brunnen, und eine kulissenreiche Stadt überblickend. Touristen spazierten durch die Gegend, sogar ein Brautpaar nahm Hochzeitsfotos vor dem Monument. In einer solch schönen und erfreulichen Umgebung zu sein, machte es schwer den eigentlichen Grund für unser Dasein in Perspektive zu bringen.
30 Amerikaner fanden sich vor diesem historischen Monument an einem schönen Freitagabend zusammen und kurz nachdem der Präsident der DAG zu sprechen begann, wurde es einfach unsere Umgebung zu vergessen und wir wurden entsetzt über die Geschehnisse in unseren Heimatländern. In dieser Stunde, in der wir uns zusammenfanden, lasen wir einen Zeitstrahl an Vorkommnissen des letzten Jahres, zündeten Kerzen an, hielten einen Schweigemoment und teilten Geschichten über unsere Gefühle aus. Eine mexikanische Amerikanerin weinte, als sie darüber sprach, dass ihre Eltern, welche nie mehr als ein Parkticket erhielten, vom aktuellen Präsidenten als „Vergewaltiger und Mörder“ klassifiziert werden. Ein anderer Teilnehmer sprach von der Tatsache, dass die Menschen bis zur Lösung des Problems der globalen Erwärmung und des Klimawandels gezwungen sein würden, aus ihrem Land zu fliehen, um sich auf die Suche zu begeben ihren Lebensunterhalt verdienen zu können, und dass sich die Flüchtlingssituation nur noch weiter verschlechtern würde. Ich drückte meine Gefühle aus, die ich die andere Nacht empfand, inbegriffen der Tatsache, dass ich mich wegen den Nachrichten über die ICE Razzien zu Beginn dieses Wochenendes übergeben musste.
Während die Gefühle des Abends hauptsächlich Wut und Empörung waren, sprachen wir auch darüber, was wir tun könnten. Wir betonten, dass nur weil wir in Übersee lebten, wir nicht hilflos seien. Mittels laufenden Mahnwachen und der Kommunikation mit Freunden und Familie in den Staaten, konnten wir unseren Stimmen Gehör verschaffen. Vor allem sind wir immer noch wahlberechtigt, also müssen wir nicht nur wählen, sondern auch dafür sorgen, dass unsere gewählten Amtsträger zur Rechenschaft gezogen werden. Diese Auffanglager können weiterhin betrieben werden, da sie von der Regierung finanziert werden. Das wertvollste Mitbringsel dieser Nacht ist, dass wir die Möglichkeit haben unsere Kongressmitglieder anzurufen und darauf bestehen können, dass wir dagegen sind, dass unsere Steuergelder für die Unterstützung dieser Zentren verwendet werden. Zusätzlich können wir unsere Freunde und Familienmitglieder in den Vereinigten Staaten und in Übersee dazu ermutigen, auch anzurufen. Wir haben eine Stimme und wir müssen sie verwenden. Falls Sie sich fragen, wie Sie helfen könnten, nehmen Sie sich zwei Minuten Zeit und rufen Sie ihr Kongressmitglied an und teilen Sie ihnen mit, dass sie aufhören sollen diese Auffanglager zu unterstützen.
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